Der Dom zu Wiener Neustadt

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Im Jahr 1192 wurde durch den macht- und selbstbewußten Babenbergerherzog Leopold V. (der Tugendhafte) mit dem Ausbau einer befestigten Stadt südlich von Wien, begonnen. Das Geld zum Bau der Festungsstadt kam aus der Lösegeldsumme, welche für die Freilassung des englisch-französischen Königs Richard Löwenherz gezahlt worden war. Die planmäßig angelegte Neustadt entwickelte sich – gefördert durch die Babenbergerherzöge  – rasch zu einem dynamischen Wirtschaftszentrum mit einer stetig zunehmenden Zahl an Einwohnern.

Bereits acht Jahre nach der Grundlegung wurde mit dem Bau einer eigenen Pfarrkirche begonnen. Im Jahr 1207 wurde der jungen Stadt das eigene Pfarrrecht zulasten einer einflussreichen Pfarrei in der Nachbarschaft gewährt. Ein weiterer Hinweis für die hohe Bedeutung, welche die Babenberger der Stadt zumaßen.

Ganz im Habitus des Mittelalters wurde vier Generation lang an dem Bauwerk gearbeitet und im Jahre 1279 zu Ehren der Heiligen Jungfrau Maria und des Heiligen Rupert geweiht. Die „Kirche zu unserer lieben Frau“ wurde im spätromanischen, staufischen Stil konzipiert.

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Der Dom ist als dreischiffige Basilika mit einem schlank-hohem Mittelschiff angelegt. Der Innenraum ist mit nachträglich aufgezogen gotischen Kreuzrippengewölben versehen. Die Arkadenreihen des Mittelschiffs weisen einfache doppelgurtige gebrochene Bögen (Spitzbögen) auf.
Aus dieser Zeit des Hochmittelalters sind romanische Fresken erhalten.

Das Westwerk mit seinem zwei Türmen entspricht den staufisch-spätromanischen Gepflogenheiten.Obwohl Ende des 19. Jahrhunderts auf Grund von Erdbebenschäden abgetragen, wurden diese Türme originalgetreu rekonstruiert. Sie beherbergen auch das Turmmuseum in welchem die Baugeschichte dargestellt wird. Die beiden 64 Meter hohen Türme stehen relativ eng zueinander und lassen der Westfront gerade noch Platz für ein tiefgegliedertes romanisches Rundbogenportal.Das oberhalb des Westportals befindliliche Rosettenfenster ist im Stil der Zeit gehalten.

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Das schmucklose Tympanon des Westportals wird durch eine gemalte Mariendarstellung beherrscht.

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Das sogenannte Süd- oder Brauttor ist im romanischen Stil als Rundbogenportal ausgeführt. Auffallend ist die optisch dichte Verzierung mit geometrischen Zickzackmustern und Dreieckszahnfriesen. Auf Grund dieser Tatsache wird das Brauttor häufig mit normannischen Traditionen in Verbindung gebracht und verweist auf die Übernahme von Stilelementen sowohl aus Süd- als auch Westeuropa.

Im 14. Jahrhundert wurde die einfache romanische Apsis durch ein Querschiff mit Chor im neuen, gotischen Stil ersetzt.
Von Friedrich III. dem Gründer des Aufstiegs der Hasburger zur Weltmacht betrieben, wurde Wiener Neustadt im Jahr 1469 Bischofssitz und blieb dies bis 1785, dem Jahr in dem das Bistum nach St. Pölten verlegt wurde. Die sog. Kaiserempore mit dem kryptischen Motto des Kaisers, das berühmte A.E.I.O.U weisen darauf hin, welche hohe Bedeutung die „Allzeit getreue“ Stadt und ihr Dom für Friedrich besaßen.

Aus der Zeit Friedrichs III. stammt eine ganze Reihe wertvoller Kunstschätze wie z.B. eine spätgotische Apostelgruppe des Künstlers Lorenz Luchsperger oder eine ebenfalls spätgotische Darstellung Jesu als Schmerzensmann u.a.m.

Reformatorische Ideen fanden in der Wiener Neustadt einen fruchtbaren Boden was dazu führte, dass die Stadt Ziel gegenreformatorischer Maßnahmen wurde. Die propagandistische Kulturausprägung der Gegenreformation, das Barock, findet sich auch im Dom, wenn auch moderat und die grundsätzliche romanische und gotische Struktur nicht überdeckend. Der Hochaltar und die Büste des gegenreformatorischen Barockfürsten Bischof Klesl zeugen von dieser Epoche.

An der Südfront, neben dem Brauttor findet sich eine beachtenswerte „Gedenk- und Warntafel“ aus Anlass der Hinrichtung zweier aufständischer ungarisch-kroatischer Adelsführer, der Magnaten Zrinyi und Frangepany, deren grausiges Schicksal auch im Stadtmuseum nachgegangen wird.

Obwohl Wiener Neustadt zu einem der Hauptziele der alliierten Bombenangriffe gehörte (Flugzeugwerke) und fast vollständig zerstört wurde entging der Dom den Bomben.

Eine grundlegende Renovation des Domes konnte knapp vor der Jahrtausendwende abgeschlossen werden und seit dem Jahr 2000 erstrahlt der Sakralbau in neuem Glanz.