Lage im Raum und Wissenwertes
Der Höllturm liegt an den nördlichen Hängen - dem sogenannten Hart
- oberhalb der Gemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl, im Piestingtal, Bezirk Wiener Neustadt, Niederösterreich-Süd. Friedrich Freiherr von Schweickhardt, hält zum Höllturm in seinem Buch: Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, 1833, zur Ortschaft Wöllersdorf, folgendes fest:
"… Nebst dem Steinbruche hier, welcher ergiebige Ausbeute liefert, steht rechts vom Dorfe auf einem Hügel eine alte Warte, allgemein der Höllthurm genannt, welche den Eingang zu einer wenig bekannten, merkwürdigen Höhle unterhält. Wir haben die unterirdische schauerliche Reise selbst dahin angetreten, nachdem wir im Dorfe einen verläßlichen Führer erhalten hatten, und mit Fackeln und Kienspänen versehen waren. Der alte Thurm mit seiner ausgebrochenen Thüre ist rund gebaut, und mag ungefähr zwei Stockwerke hoch seyn. Nachdem wir aus Fürsorge eine Laterne mitgenommen, und solche samt den Spänen angezündet hatten, stiegen wir in eine, unten im Thurme den Eingang bildende, enge Kluft. Alsbald waren die Fledermäuse aufgeschreckt, und wir mußten uns vor diesen garstigen Gästensogleich zu schützen suchen. Ein sonderbares Gefühl überfällt den neugierigen Wanderer, in dem er in die ihm unbekannten unterirdischen Gänge tritt ...
... Kunstlos ist der Anfang dieser Höhle nur von der Natur gebildet, die sich bald erweitert; während des Fortschreitens schien es uns sanft aufwärts zu gehen, und häufig stießen wir auf bis an die Knie reichende Haufen verfaulten Getreides, welches, nach Einiger Meinung, beim Türkenkriege im Jahre 1683 hierher in Sicherheit gebracht wurde. Bemerkenswert ist vorzüglich eine große Halle, in der ein eckiger Stein den Namen Predigtstuhl führt, weßhalb man muthmaßed, daß zu Zeiten des Lutherthums hier Zusammenkünfte gehalten worden sind; ...
... viele Nebenkammern bestehen noch, die bisher garnicht untersucht worden sind, wozu uns auch die Zeit mangelte mehr darin zu forschen, besonders da wir den aus obiger großen Halle sich enger und tief senkenden Gang, welcher von Menschenhänden gebildet wurde, weithin verfolgen. Man kann in solchen, wenn wir noch weiter vorgedrungen wären, das Rauschen des Wassers hören; allein von allem entblößt, was zur Wehre oder sonst nötig wird, haben wir es nicht gewagt, weiter fortzugehen. Es heißt, das dieser Gang sogar Verbindung mit Gängen unter der entlegenen Veste Starhemberg haben soll, allein es war nicht nur zu düster, sonder sogar abschreckend ungewissen Schrittes, zu tief in dieses unterirdische Labyrinth sich zu wagen, besonders da unser Führer, mehr vertraut als Fremdlinge, nicht weiter forwärts zu gehen sich getraute. Eine andere Halle im Rückwege trug sichtbare Spuren des Meisels …Quelle: Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, durch umfassende Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten,C., C., topographisch-statistisch-genealogisch-historisch bearb., und nach den bestehenden vier Kreisvierteln gereihet, Band 7,Teil 2.
Friedrich Schweickhardt (Freiherr von .)VerlagGedruckt bei den PP. Mechitaristen, 1833 Seite 207ff.
Des Freiherren Schilderungen, einige der romantischen Epoche geschuldete Floskeln abgesehen, sind präzise. Der Turm war in der Tat dreistöckig und die Bearbeitungsspuren im Innern hat er richtig gedeutet. Es scheint als ob ein Erdbeben das Innerer der ursprünglich mit Stockwerken versehenen Höhle, etwas durcheinandergebracht hat.
Höhlen als Schutzburgen sind nicht so unüblich in einer Zeit, wo es vor allem darum ging sich vor Räuberbanden – und viel mehr waren auch die osmanischen Akindschi, die Senger und Brenner der Türkenkriege nicht, zu schützen. Zur Abwehr eines ernsthaften militärischen Angriffs war die kleine Festung sicher nicht geeignet.
Was den Besucher heute auffällt ist, dass der Zugang über den Turm selbst nicht mehr möglich ist. An dessen Stelle klafft eine Öffnung in der Sandsteinwand durch die man bequem ins Innerer der – bei der Bevölkerung sehr beliebten – Höhle gelangen kann. Die Höhle war auch nachweislich größer, so hat man aus dem verschütteten Bereich des sog. Tanzsaales (nomen est omen?) Scherben aus dem 12. Jhdt geborgen, was auf eine längeren planmäßigen Ausbau schließen lässt. Auszuschließen ist auch nicht, dass wie in vielen Teilen Europas üblich, die Höhle eigentlich ein Steinbruch war, denn, im Unterschied zu heute, wurden bis in die Neuzeit, Steine nicht selten „unter Tage“ abgebaut. Die Bearbeitungsspuren im Inneren würden auf jeden Fall sehr gut zu den Spuren in ähnlichen Höhlenanlagen passen, deren berüchtigste wohl die im Ersten Weltkrieg blutig umkämpfte Drachenhöhle am Chemin des Dames unweit von Laon ist, bei der die Verwendung als Steinbruch bewiesen werden konnte. Balkenlöcher im der Höhle weisen auf planmäßiges Herangehen hin.
Die kleine Festung liegt beherrschend über dem Tal und der Aufstieg wird durch die zahlreichen Terrassen unterhalb des Turmes sicher nicht einfach gewesen sein, bei gleichzeitigem freiem Beobachtungs- und Schussfeld für die Verteidiger, den, dass der Turm für Feuerwaffen adaptiert war, zeigen die Schießscharten, welche für Armbrüste oder Pfeil und Bogen zu klein sind.
Schwachstelle wäre der hinter dem Turm aufsteigende Hang, über den man unerkannt bis auf ca. 30 m an den Turm heran und aus überhöhter Stellung auf diesen zum Wirken käme.
Das der Turm so wie er heute steht, ohne weitere Wehren – und seien es nur Palisaden – bestanden hat, ist eher unwahrscheinlich. Ob der Turm bei der erfolgreichen Abwehr der Osmanen im Jahr 1519, welche Jahreszahl die „uneingenommene“ Nachbargemeinde Piesting noch immer im Gemeindewappen führt, eine Rolle gespielt hat, ist nicht überliefert.