Clemens August Graf von Galen „Der Löwe von Münster”

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Bekannt wurde er unter anderem durch sein öffentliches Auftreten gegen die Tötung sogenannten „lebensunwerten Lebens“. Er wurde 1946 zum Kardinal erhoben und 2005 seliggesprochen.1933 wurde er zum Bischof von Münster geweiht, nachdem andere Kandidaten des Domkapitels verzichtet hatten. War bis dahin nur der Amtsverzicht des gewählten Wilhelm Heinrich Heufers bekannt,[18] wurden 2003 durch die Öffnung der vatikanischen Archive für die Zeit bis 1939 weitere Einzelheiten zum Ablauf der Bischofswahl bekannt:[19] Von Galen stand zwar auf der Vorschlagsliste, die das Domkapitel eingereicht hatte, jedoch nicht auf der Dreierliste, die der Heilige Stuhl dem Kapitel gemäß Artikel 6 des Preußenkonkordats zur Wahl vorlegte. Als ausschlaggebend wird hierfür die Einschätzung von Galens durch den Nuntius Cesare Orsenigo angesehen, der an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli von herrischer (arroganter) Auftretensweise, Starrsinn und – mit Blick auf die Schrift Die Pest des Laizismus – von zu schulmeisterlichem Ton für einen einfachen Pfarrer schrieb. Erst als der zunächst gewählte, aus dem Bistum Münster stammende Berliner Domkapitular Heufers die Wahl aus Gesundheitsgründen abgelehnt hatte und sodann von den verbliebenen zwei Kandidaten der gewählte Dompropst und Professor Adolf Donders darum gebeten hatte, das Amt nicht antreten zu müssen, erweiterte der Papst – damit dem Kapitel überhaupt eine Wahl blieb – die auf einen Kandidaten (den Trierer Weihbischof Antonius Mönch) geschrumpfte Liste um von Galen, den das Kapitel am 18. Juli 1933 einstimmig wählte. Am 28. Oktober 1933 wurde er geweiht und in das Amt eingeführt. Als Wappenspruch wählte er ein Versprechen des Weihekandidaten aus der Liturgie der Bischofsweihe: „Nec laudibus, nec timore“ (lat. „Nicht Menschenlob, nicht Menschenfurcht soll uns bewegen“ (Übersetzung von Galens in seinem ersten Hirtenbrief)).

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Drei kritische Predigten (1941)Überregionale und internationale Bekanntheit hat von Galen durch drei im Juli und August 1941 gehaltene und durch illegale Flugblätter sowie Nachdrucke der Alliierten in Deutschland verbreitete Predigten erlangt. Aufgrund seiner Predigten hat er im Volksmund den Beinamen „Der Löwe von Münster” erhalten.13. Juli 1941 – St. LambertiIn der ersten, am 13. Juli 1941 in seiner ehemaligen Pfarrkirche St. Lamberti gehaltenen Predigt[39] greift er auf, dass am Vortag die Niederlassungen der Jesuiten und der Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis von der Gestapo aufgelöst, die Patres und Schwestern aus der Rheinprovinz ausgewiesen und die Ordenshäuser beschlagnahmt worden seien. Er stellt fest, der Klostersturm, der schon in anderen Reichsteilen gewütet habe, sei jetzt auch in Münster ausgebrochen. Er kritisiert, dass diese Maßnahmen ohne ordentliches Verfahren gegen die Betroffenen verhängt worden seien und dies nicht das erste Mal sei, nachdem auch zwei Mitglieder des Domkapitels ohne Anklage aus der Diözese verbannt worden seien. Er fasst dies mit den Worten zusammen:„Der physischen Übermacht der Geheimen Staatspolizei steht jeder deutsche Staatsbürger völlig schutzlos und wehrlos gegenüber. … Keiner von uns ist sicher, und mag er sich bewußt sein, der treueste, gewissenhafteste Staatsbürger zu sein, mag er sich völliger Schuldlosigkeit bewußt sein, daß er nicht eines Tages aus seiner Wohnung geholt, seiner Freiheit beraubt, in den Kellern und Konzentrationslagern der Geheimen Staatspolizei eingesperrt wird.“Danach setzt er unter Zitat der lateinischen Devise Iustitia est fundamentum regnorum („Gerechtigkeit ist die Grundlage jeder Herrschaft“]) auseinander, dass in weitesten Kreisen des deutschen Volkes ein Gefühl der Rechtlosigkeit, ja feiger Ängstlichkeit Platz gegriffen habe. Den denkbaren Vorwurf, er schwäche durch diese Äußerungen die innere Front, weist er zurück und wendet ihn gegen die Machthaber: Da die Gerechtigkeit das einzig tragfeste Fundament aller Staatswesen sei, warnt er davor, in Deutschland würden die Rechtssicherheit zerstört, das Rechtsbewusstsein untergraben und das Vertrauen in die Staatsführung vernichtet. Als deutscher Mann, als ehrenhafter Staatsbürger, als Vertreter der christlichen Religion, als katholischer Bischof rufe er laut: „Wir fordern Gerechtigkeit!“

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20. Juli 1941 – ÜberwasserkircheDie zweite Predigt, die von Galen am 20. Juli 1941 in der Überwasserkirche hielt, beginnt er mit der Feststellung, dass die Angriffe der Kriegsgegner die Stadt nicht mehr erreicht hätten, die Angriffe der Gegner im Inneren des Landes unbekümmert fortgesetzt worden seien. Er weist auf die Beschlagnahme zahlreicher weiterer Klöster und die Vertreibung ihrer Bewohner hin. Er berichtet davon, dass sein bei einem Besuch des Regierungspräsidenten und in einem Telegramm an die Reichskanzlei des Führers vorgebrachter Protest nichts genützt habe.Bereits jetzt sei eingetreten, was er vor einer Woche vorhergesagt habe: man stehe vor den Trümmern der inneren Volksgemeinschaft, die in diesen Tagen rücksichtslos zerschlagen worden sei. Da Christen aber keine Revolution machten, gebe es nur ein Kampfmittel: starkes, zähes, hartes Durchhalten. Er benutzt dazu folgendes Bild:„Wir sind Amboß und nicht Hammer! Aber seht einmal zu in der Schmiede! Fragt den Schmiedemeister und laßt es euch von ihm sagen: Was auf dem Amboß geschmiedet wird, erhält seine Form nicht nur vom Hammer, sondern auch vom Amboß. Der Amboß kann nicht und braucht nicht zurückzuschlagen; er muß nur fest, nur hart sein. Wenn er hinreichend zäh, fest, hart ist, dann hält meistens der Amboß länger als der Hammer.“Er fordert die Gläubigen in diesem Zusammenhang auf, bei allen Schlägen, die auf sie niedersausen, stark, fest und unerschütterlich zu bleiben, aber auch stets bereit zu sein, in äußerstem Opfermut nach dem Wort zu handeln: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“

3. August 1941 – St. Lamberti14 Tage später berichtet er zu Beginn der dritten Predigt von weiteren Besetzungen und Beschlagnahmen von Klöstern und legt dann ausgehend von einer Schriftstelle im Tagesevangelium „Als er näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie“ (Lk 19,41 EU) dar, dass Jesus über Jerusalem weint, weil der Mensch seinen Willen gegen den Willen Gottes stelle. Hierauf berichtet er, dass jetzt auch in der Provinz Westfalen aus Heil- und Pflegeanstalten Kranke abtransportiert werden und die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mitteilung erhielten, der Kranke sei verstorben und die Leiche bereits eingeäschert. Dabei vertritt er den „an Sicherheit grenzende[n] Verdacht, daß man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe sogenanntes ‚lebensunwertes Leben‘ vernichten“. Dem hält er entgegen, dass jede mit Überlegung ausgeführte vorsätzliche Tötung Mord sei. Da nach dem Strafgesetzbuch schon strafbar sei, wer von einem bevorstehenden Verbrechen wider das Leben wisse und es nicht der Behörde anzeige, habe er bei der Staatsanwaltschaft Münster und dem Polizeipräsidenten Strafanzeige[44] gestellt. Er hält der Ansicht, man dürfe unproduktives Leben töten, vor, sie stelle den Menschen mit einer alten Maschine oder einem lahmen Pferd gleich, und verwirft diese Gleichsetzung mit den Worten:„Nein, ich will den Vergleich nicht bis zu Ende führen –, so furchtbar seine Berechtigung ist und seine Leuchtkraft! Es handelt sich hier ja nicht um Maschinen, es handelt sich nicht um ein Pferd oder eine Kuh, … Nein, hier handelt es sich um Menschen, unsere Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern! Arme Menschen, kranke Menschen, unproduktive Menschen meinetwegen! Aber haben sie damit das Recht auf das Leben verwirkt? Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind, solange wir von den anderen als produktiv anerkannt werden?“Wenn man den Grundsatz aufstelle, dass man den unproduktiven Mitmenschen töten dürfe, dann sei keiner seines Lebens mehr sicher, keiner könne Vertrauen zum Arzt haben und allgemeines gegenseitiges Misstrauen werde bis in die Familien hinein getragen. Er verweist demgegenüber auf die unveränderte Bedeutung des fünften Gebotes „Du sollst nicht töten“ und entwickelt, dass die Machthaber auch die anderen der Zehn Gebote beiseite gesetzt und zu deren Übertretung aufgefordert hätten. Deshalb müsse Ernst gemacht werden mit dem Wort „Lieber sterben als sündigen“, indem jeder sich dem Einfluss derjenigen entziehe, die so gottwidrig dachten und handelten.